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Pressemitteilung

Realschul-Raumkonzept des Landkreises Mühldorf

Realschule Waldkraiburg platzt aus allen Nähten

Stellungnahme zur Raumnot in der größten Realschule Bayerns –
Realschule Waldkraiburg – Landkreis Mühldorf am Inn
Kreistagssitzung vom 25.05.2012, Mühldorf
(Reinhard Retzer, Kreisrat, ÖDP)
Angesichts des Themas der heutigen Sitzung spüre ich mehrere Herzen in meiner Brust schlagen.
Als Lehrer denke ich natürlich auch an die Schüler, die unter den organisatorisch schwierigen Umständen in der Realschule Waldkraiburg leiden. Dass wir da Abhilfe schaffen müssen steht außer Frage.

In mir höre ich aber auch das Herz eines Mittelschullehrers schlagen. Ich unterrichte seit nunmehr 10 Jahren im M-Zug einer Mittelschule und beobachte, wie sich unsere Mittelschüler mit Hauptschulabschluss und Quali im Ausbildungsberuf bewähren. Vor kurzem eröffnete uns eine Mitarbeiterin des Personalbereiches eines renommierten Unternehmens aus dem Landkreis, dass es für bestimmte Ausbildungsberufe lediglich Mittelschüler einstellt und Bewerbungen aus dem Realschulbereich nicht berücksichtigt.
Schließlich schlägt in mir das Herz eines dreifachen Vaters, der drei Kinder durchs sogenannte Grundschulabitur gebracht hat. Und der Druck, der in der 3. und 4. Klasse ausgeübt wird, der wird immer größer.

Und hier sind wir bei einem wesentlichen Grund, warum wir heute hier sitzen:
Die vermeintlich große und dreifache Weichenstellung bereits in der 4. Jahrgangsstufe: Mittelschule, Realschule oder Gymnasium? Ich hab´s nie verstanden und werde es auch nie verstehen, was die Staatsregierung vergangener Jahrzehnte der Ära Stoiber-Hohlmeier geritten hat, das gesamte, sanft abgestufte Schulwesen durch die Einführung der sechsstufigen Realschule aus der Balance zu bringen. Offenbar war Stoibers Sparzwang Ursache des Rationalisierungsdruckes im Schulbereich: Es kommt dem Staat einfach billiger eine 30er Realschulklasse mit einer Lehrkraft zu versorgen als zwei 15er Teilhauptschulklassen in der Fläche. Entgegen aller Bekundungen von Seiten der Staatsregierung, die sechsstufige Realschule dürfe keinesfalls die Standorte von Hauptschulen gefährden, sind sämtliche rund 200 Teilhauptschulen in Bayern geschlossen worden.
Und das obwohl Kultusministerin Monika Hohlmeier 1998, in einer Pressemitteilung bekräftigte, dass „die Beibehaltung wohnortnaher Hauptschulen tragende Säule der Weiterentwicklung des gegliederten Schulsystems sei. Dies gelte unabhängig von der Einführung der 6-stufigen Realschule."
Die Realität spricht eine andere Sprache. Und so sage ich ganz klar: Die Raumnot in der Realschule Waldkraiburg ist das Ergebnis dieser verfehlten Schulpolitik auf Landesebene. Ein großer Teil der Kinder, die früher in Teilhauptschulen unterrichtet wurden, benötigt einfach Raum an Realschulen. Verbunden mit der dreifachen Weichenstellung nach der Grundschule entsteht ein Druck, im Zweifelsfall die vermeintlich höherwertige Schulausbildung anzustreben, um sie häufig in der 9. oder 10. Klasse der Realschule oder des Gymnasiums zu revidieren. Daraus erklärt sich der sprunghafte Anstieg der Schülerzahlen der Mittelschulen von der 8. auf die 9. Jahrgangsstufe (43 Schüler).

(Wer die Übertrittsprognosen des Schulgutachtens betrachtet, kann feststellen, dass in der Mittelschule 486 Schüler die 8. Jahrgangsstufe besucht haben (Schuljahr 2010/11). Aus diesen 486 Schülern werden im Schuljahr 2011/12 in der 9. Klasse 529 also 43 Schüler mehr. In diesem Jahrgang haben wir dann wieder die Verteilung: 39% Mittelschüler, 32 % Realschüler und 27 % Gymnasiasten! Eigentlich genau die Verteilung wie vor der Einführung der R6.
Also was hat dann die Einführung der sechsstufigen Realschule tatsächlich gebracht?
 
Dass so mancher Schulstandort in den Gemeinden grundsätzlich ins Wackeln kommt, war doch trotz gegenteiliger Bekundungen des Ministeriums abzusehen. Vor dem Hintergrund der Erosion der Schule in der Fläche verbietet es sich in meinen Augen Begriffe wie „Lernen vor Ort“ oder „Förderung des ländlichen Raums“ im Mund zu führen.

Und eines müssen wir uns bewusst sein: Ein neuer Realschulstandort ist ein weiterer Sargnagel für die Mittelschulversorgung in der Fläche. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, dass auch die Gemeinden, die dadurch ihren Schulstandort gefährdet sehen, über die Kreisumlage zur Kasse gebeten werden, die eh schon leer ist.

Für die ÖDP wäre eine an die Grundschule angegliederte Orientierungsstufe in 5/6  ein gangbarer Weg, um a) die Raumnot an den Realschulen insgesamt zu entschärfen und b) um dem unsäglichen Übertrittsdruck in der 4. Jahrgangsstufe die Spitze zu nehmen.
 
Heute geht es darum nach Wegen zu suchen, wohnortnah, mit einem effektiven Einsatz an Ressourcen und dem Blick auf die Realisierbarkeit, einen Weg zu finden, die Raumsituation an der Realschule in Waldkraiburg zu entschärfen. Das muss unser vordringliches Ziel sein.

Um im Bild der Herzen zu bleiben, die in meiner Brust schlagen: Als Kreisrat sind wir nicht nur einer bestimmten Schulart verantwortlich. Wir müssen neben unseren begrenzten Finanzen, auch die Schullandschaft in der Fläche im Blick haben.
Wir haben eine Verantwortung, jedem Kind die ihm gemäße Schulbildung zu ermöglichen. Und dazu müssen wir neben der Realschule und dem Gymnasium auch die Kinder der Mittelschulen und auch der Förderschulen im Blick behalten. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden.

Und nachdem die Misere nicht hausgemacht ist, sondern auf eine verfehlte Schulpolitik vergangener Jahre zurückzuführen ist, regen wir an, mit dem Freistaat nach zu verhandeln. Egal für welche Maßnahme sich der Kreistag entscheidet: Die verfehlte Schulpoltik darf nicht auf dem Rücken der Kommunen ausgetragen werden.  Nachdem Finanzminister Markus Söder vor Weihnachten massiv Anzeigen geschaltet hat, dass dem ländlichen Raum zusätzliche Milliarden zukommen sollen, sollte doch auch für unsere Bemühungen ein Weg gefunden werden, um mehr als 30 % Förderbeitrag zu erreichen.

Abschließend möchte ich noch feststellen. Die Prämissen des Schulgutachtens für den Bereich der Realschule, Wohnortnähe, Ressourcenorientierung und Realisierbarkeit müssen für die gesamte Bildungspolitik gelten. Der begrenzende Faktor werden die Ressourcen sein.

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