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Bericht

Kreistag unterstützt Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen

Redebeitrag zu TOP Positionierung des Landkreises zu den Freihandelsabkommen

Kreisrat Reinhard Retzer

Im Landkreis Mühldorf ist ein breites Bündnis aus Kritikern entstanden von BUND über Gewerkschaften, Bienenzüchter, ÖDP, Grünen und auch SPD bis hin zum Kreiskatholikenrat.
Diese Menschen sorgen sich:
Sie sorgen sich, weil die Verhandlungen im Geheimen stattfinden.
Sie sorgen sich, weil man nicht genau weiß, wer am Verhandlungstisch sitzt.
Sie sorgen sich, weil über diese Freihandelsabkommen unser Gemeinwesen, das auf demokratisch zustande gekommenen Gesetzen basiert ausgehöhlt zu werden droht.
Der darin vorgesehene Investitionsschutz ermöglicht es beispielsweise, dass weltweit operierende Konzerne Staaten verklagen können, wenn sie Gesetze verabschieden, die die zu erwartenden Gewinne schmälern. Ich frage besonders die in diesem Gremium vertretenden Unternehmer, ob sie die Möglichkeit haben, den eigenen Staat vor ein Schiedsgericht zu zerren und zu verklagen, weil ihnen durch Gesetze Gewinne entgehen?
Im Umkehrschluss würde das eine erhebliche Beeinflussung unserer Gesetzgebung bedeuten. Gesetze würden nicht mehr geprüft, ob sie mit Grundgesetz oder Verfassung vereinbar wären, sondern dahingehend vorbereitet, dass kein Investor geschädigt wird.
Bezüglich der Atomausstiegs haben wir dieses Szenario schon: Vattenfall betreibt das AKW Brunsbüttel und verklagt jetzt die Bundesrepublik auf Schadenersatz wegen des Atomausstiegs auf 3,7 Mrd. € Schadenersatz. Während EON und RWE den regulären gerichtlichen Instanzenweg einschlagen müssen, wird die Schadenersatzklage zwischen Vattenfall und der Bundesrepublik vor einem Schiedsgericht verhandelt, weil zwischen Schweden und der Bundesrepublik ein Freihandelsabkommen existiert.
Diese Schiedsgerichte haben mehrere gravierende Mängel
a) Sie sind mit privaten Branchenanwälten als Richter besetzt
a)Sie tagen geheim
b) Eine Revision ist nicht zulässig.
Ziel dieser Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA ist es, Handelshemmnisse zu beseitigen, die über Zölle hinausgehen. Ich frage, welche Handelshemmnisse sollen denn beseitigt werden, wenn nicht die im Vergleich zu den USA hohen Umwelt- und Sozialstandards?
Fragt man nach den Vorteilen dieser Abkommen, dann hört man den dogmatisch anmutenden Dreiklang, für Wachstum, Arbeit und Wohlstand durch Entfesselung der Märkte.
Kommission: …TTIP kann also als eine Art Konjunkturpaket gesehen werden, nur ohne dass dabei Steuergelder aufgebracht werden müssten.“
In den vergangenen Tagen mussten der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und der wirtschaftsliberale Think Tank Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) einräumen, Wachstumsprognosen zu TTIP in ihren Publikationen massiv aufgebauscht zu haben.
Der BDI hatte die angenommenen Wachstumseffekte von TTIP um den Faktor zehn aufgebläht. So hieß es auf der BDI-Website, "dass EU und USA jeweils mit rund 100 Mrd. Euro Wirtschaftswachstum pro Jahr rechnen können". Der BDI berief sich dabei auf eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR) im Auftrag der EU-Kommission. Danach könnte ein besonders weitreichendes Abkommen zu einem Wachstum von bis zu 0,5 Prozent in der EU bzw. 119 Milliarden Euro führen – allerdings insgesamt innerhalb von 10 Jahren. Der BDI hatte aus diesem einmaligen Effekt ein jährliches Plus gemacht.
Vor diesem Hintergrund ist es gut, richtig und vor allem notwendig, wenn wir das gemeinsame Positionspapier der Kommunalverbände mit möglichst großer Mehrheit unterstützen.
• Es geht um ureigendste Aufgaben unserer Kommunen: die Daseinsvorsorge unserer Bürger, die Versorgung mit Wasser, der ÖPNV, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser und auch der Bildungsbereich. Es geht darum den Begehrlichkeiten von Konzernen und Wirtschaftsunternehmen entgegenzuwirken, die alltäglichen Bedürfnisse unserer Bürger reinen Markt- und Profitmechanismen auszusetzen.
• Die Kommunalverbände wenden sich in diesem Papier auch klar gegen den Investorenschutz und setzen sich für die Zuständigkeit der nationalen Gerichtsbarkeit auch für Investoren aus Drittstaaten ein.
• Sie fordern zurecht die Aufrechterhaltung der Umwelt- und Verbraucherstandards.
• Gleichzeitig fordert die Stellungnahme die Einbindung kommunaler Vertreter in Beratergruppen.
• Die Kommunalverbände wenden sich auch klar gegen TiSA (Trade in Services Agreement), das Handelshemmnisse im öffentlichen Dienstleistungssektor zum Ziel hat.
Ich fasse zusammen:
Für die ÖDP stehen die geringen Chancen in keinem Verhältnis zu den Nachteilen dieser Freihandelsabkommen. Wachstumschancen mussten nach unten korrigiert werden, während elementare demokratische Errungenschaften zur Disposition gestellt werden.
Den mantraartig vorgetragenen Bekundungen von Unions- und SPD-Politikern Verbraucher-, Umwelt- und Sozialstandards nicht zur Diskussion zu stellen, stehe ich sehr skeptisch gegenüber.
Mir kommt bei dieser Freihandelsdebatte ein Eigenheimbesitzer in den Sinn, der in den Baumarkt geht um einen Rasenmäher zu erwerben. Und auf die Frage des Verkäufers, was er können soll meint: „Ja, er muss den wildwachsenden Rasen mähen, sollte aber die schönen Blumen stehen lassen.“ Wenn der Verkäufer sagt, ja den gibt´s, dann wäre ich sehr skeptisch.
Die ÖDP fordert deswegen den Abbruch der Verhandlungen. Vor dem Hintergrund, dass eine Mehrheit für diese Forderung in diesem Gremium nicht erreichbar scheint, stellen wir uns klar hinter das vorliegende Papier der Kommunalverbände, um die Interessen unserer Kommunen in die laufenden Verhandlungen einzubringen und ihnen Gewicht zu verleihen. Ich hoffe auf ein klares Votum des Kreistages.
 

Kreisrat Hubert Rosskothen

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