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Bericht

Das Jahr 2014 im Mühldorfer Kreistag

Reinhard Retzer

Reinhard Retzer

Im Rückblick auf das Jahr möchte ich einige wichtige Maßnahmen und Ereignisse im Landkreis herausgreifen und aus unserer Sicht beleuchten. Bei der Kommunalwahl haben die Bürger den Kreistag neu besetzt. Bei der Verteilung der Ausschusssitze sind die Karten neu gemischt worden. Leider nicht nach den Regeln, die unseren Vorstellungen entsprochen hat.
Mit dem von uns vorgeschlagenen Zählverfahren wäre es möglich gewesen, die Mehrheitsverhältnisse des Kreistages auf die einzelnen Ausschüsse so zu übertragen, dass auch wir darin vertreten gewesen wären. Somit haben die Stimmen unserer Wähler weniger Gewicht, als ihnen nach unserem Demokratieverständnis zustünden. Nach wie vor behalten wir uns vor, diese Situation gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Mittelpunkt steht jedoch für uns die konstruktive Sacharbeit im Kreistag. Dazu möchte ich einige wichtige Punkte herausgreifen.

Energie
Ausdrücklich zu begrüßen und noch zu verstärken sind die Anstrengungen im Bereich des Energiemanagements für die landkreiseigenen Liegenschaften. Der am 4. November in Schwindegg vorgestellte Energienutzungsplan des Landkreises ist ein ausgezeichnetes Instrument, um die effektivere Nutzung von Energie in den Kommunen voranzutreiben. Das Ziel, unsere Liegenschaften zu 100 % aus erneuerbaren Energiequellen zu speisen darf nicht aus den Augen verloren werden.
In Zukunft gilt es jedoch nicht mehr nur die Energiebilanz zu betrachten. Die Energiewende bedeutet mehr als nur Strom aus erneuerbaren Energien zu gewinnen und Kohle-, Gas-  und Ölkraftwerke vom Netz zu nehmen. Wenn dem Klimawandel entschieden begegnet werden soll, müssen wir allgemein unseren Umgang mit Energie auf neue, nachhaltige Beine stellen. Und ich möchte den Blick noch etwas weiten. Nicht nur die fossilen Energieträger sind begrenzt, sondern alle Arten von nichtnachwachsenden Schätzen die wir aus der Erde holen. Als Zeugen dieser Einschätzung möchte ich Friedrich Schmidt-Bleek anführen. In 1990er Jahren leitete er zusammen mit Ernst Ulrich von Weizsäcker das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.  Er stellt in seinem Buch „Grüne Lügen“ fest, dass unsere Umweltschutzmaßnahmen zwar den Schadstoffausstoß reduzieren, aber im Gegenzug den Bedarf an Ressourcen und Rohstoffen erhöhen. Die Tatsache, dass ernsthaft über die erneute Förderung von Öl in Ampfing nachgedacht wird, zeigt dass wir uns vom Klimaschutz wieder entfernen. Windenergie sei in unseren Breiten nicht rentabel. Was läuft da in der großen Politik schief, dass stattdessen Energieformen – in Ampfing im wahrsten Sinne des Wortes – wieder aus dem Museum hervorgeholt werden? Für die Anstrengungen des Landkreises im Bereich der Energienutzung haben solche Entwicklungen eine fatale Signalwirkung. Die wirtschaftliche Rentabilität orientiert sich derzeit offenbar noch nicht an nachhaltigen Kriterien.

Jugend und Familie
Im Bereich Jugend und Familie erhöht sich der Zuschussbedarf von 9,8 Mio auf  10,6 Mio €. Prozentual bedeutet das eine 8-%ige Steigerung. Bei der Vorinformation zum Haushalt am 10.11. hat sich gezeigt, dass diese Entwicklung uns alle gemeinsam umtreibt. Unser Amt für Jugend und Familie wird immer häufiger zu Hilfe gerufen und auch die Fälle werden schwerwiegender. Ursache für den Anstieg der kosten sind auch die steigenden Entgelte für stationäre Einrichtungen. Hinzu kommen noch die nichterstattungsfähigen Aufwendungen bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. An dieser Stelle sei dem BBW der Salesianer in Waldwinkel sowie den beteiligten Lehrkräften der Berufsschule ein aufrichtiger Dank für ihre Arbeit ausgesprochen.

Tiefere Gründe für diese unerfreuliche Gesamtentwicklung der Kosten im Bereich Jugend und Soziales sehe ich darin, dass das immer schneller drehende Hamsterrad des Wirtschaftswachstums und der damit verbundene steigende Druck in Arbeit und Alltag die Erziehungsfähigkeit der Familien zunehmend beeinträchtigt.

Lernen vor Ort
Vor diesem Hintergrund muss meines Erachtens auch unser Projekt „Lernen vor Ort“ verstärkt diese Gegebenheiten berücksichtigen: Ein Kind, das unter materiellen Mängeln, Beziehungsproblemen der Eltern oder sonstigen Belastungen der Familie leidet ist nur beschränkt für Bildung zugänglich. Insgesamt ist  der Aufwand für die Weiterführung des Projektes Lernen vor Ort mit 450.000 € nicht unerheblich, aber gut angelegt, so lange die beteiligten Personen und Institutionen vom Mehrwert des nicht unerheblichen Mehraufwandes überzeugt sind. LvO leistet einen wichtigen Beitrag, dass im Bereich der Bildungs- und Erziehungseinrichtungen das Denken in Zuständigkeiten durch ein Denken in Verantwortlichkeiten ersetzt wird. Man arbeitet nicht mehr nebeneinander her, sondern spricht miteinander, um Brücken aufzuzeigen, wo sie noch nicht gesehen werden und zu schaffen, wo sie noch fehlen.

Insgesamt ist bei der Ausrichtung des Projektes in Zukunft verstärkt darauf zu achten, dass „Lernen vor Ort“ nicht in erster Linie als Maßnahme zur Rekrutierung von sog. Humankapital für unsere Wirtschaft gesehen wird. Ich sehe nämlich schon den Trend, dass Kinder immer früher und gezielter gefördert werden sollen. Übergangsmanagement vom Kindergarten in die Schule, das ist schön und gut. Aber man sollte schon noch das Kind Kind sein lassen. Das auf den ersten Blick zweckfreie Spielen hat da in meinen Augen seine Bedeutung. Ziel aller Bildung und Erziehung müssen in erster Linie stabile Persönlichkeiten sein und erst in zweiter Linie ausbildungs- und erwerbsfähige Produzenten und Dienstleister. Es sind die Kinder und Jugendlichen, die unter den zunehmend instabilen Beziehungen in den Familien und Lebensgemeinschaften leiden. In erster Linie gilt es dieses Defizit aufzufangen. Auf diesem Wege bedanke ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Amt für Jugend und Familie und im Job-Center für ihren Einsatz.

KZ-Außenlager
Ein wichtiges Anliegen ist uns, dass der Landkreis sich weiterhin darum bemüht, die die Reste des KZ-Außenlagers im Mühldorfer Hart zur Gedenkstätte aufzuwerten, damit unsere jungen Leute am Ort des Geschehens lernen können und das Leid das Menschen dort erlitten haben nicht vergessen wird.

TTIP
Zu Beginn des Jahres machten mein ÖDP-Kollege Roßkothen und ich eine Anfrage bezüglich der Auswirkungen des Freihandelsabkommens TTIP auf die kommunale Wertstoffwirtschaft, auf unsere kommunalen Kliniken und auch auf die Zukunft der kommunalen Trinkwasserversorgung. Die Behandlung im Kreistag wurde mit dem Vermerk verweigert, dass eine Behandlung des TTIP-Freihandelsabkommens und seiner Folgen ausscheidet, weil es die Grenzen des Fragerechts eines Kreisrates sprengt. Im Gegensatz dazu haben mittlerweile 13 Kommunen des Landkreises Beschlüsse gefasst, ihre Spitzenverbände anzuhalten ihre Interessen bei diesen Verhandlungen zu wahren.
Ich sehe in diesen Freihandelsabkommen TTIP und CETA insbesondere in dem darin vorgesehenen Investorenschutz das Bestreben großer Konzerne, u. a. Zugriff auf die Trinkwasserversorgung zu bekommen. Dass die Entscheidungen auf anderen Ebenen fallen ist mir schon bewusst, doch es kann nicht schaden, unsere Stimme in dieser Sache zu erheben. Bezeichnend ist, dass die Bedenken, die mittlerweile u. a. auch der Diözesanrat der Diözese München-Freising in einem Beschluss äußert, sich in den Verlautbarungen der christlichen Partei nicht wiederspiegeln. Im Gegenteil, dort werden nur die Chancen hervorgehoben, die mit dem allüberragenden Argument der Wachstumschancen begründet werden. Aber ich denke dass es an der Zeit ist, sich von der Ideologie des unbegrenzten Wachstums auf einem begrenzten Planeten zu verabschieden.

Ein frohes und friedliches Weihnachtsfest sowie alles Gute im neuen Jahr 2015

Reinhard Retzer, Kreisrat ÖDP  Hubert Roßkothen, Kreisrat ÖDP

Hubert Roßkothen

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